Verordnung von medizinischem Cannabis

Seit März 2017 ist die Verordnung von medizinischem Cannabis in Deutschland gesetzlich geregelt. Doch wer darf eigentlich Cannabinoide verordnen und für welche Patienten sind sie geeignet? Was muss bei der Ausstellung des Rezepts beachtet werden? Wie kann ich als Arzt meine Patienten weiter unterstützen? Hier erfahren Sie alles Notwendige über die Verordnung von Cannabis-basierten Arzneimitteln.

Seit März 2017 haben Patienten mit schwerwiegender Erkrankung unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis. Als gesetzliche Grundlage dafür wurde § 31 Absatz 6 SGB V formuliert.1

Medizinisches Cannabis darf jeder Haus- oder Facharzt, mit Ausnahme von Zahn- und Tierärzten, verordnen. Verordnet werden dürfen:

  • Getrocknete Cannabisblüten und -extrakte in standardisierter Qualität,
  • Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol (natürliches THC) und
  • Nabilon (vollsynthetisches THC).

Rechtliche Grundlagen der Cannabisverordnung

Seit März 2017 haben Patienten in Deutschland Anspruch auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis (§ 31
(Absatz 6 SGB V) und seit April 2024 gilt das CanG (Cannabisgesetz), welches das MedCanG (Medizinalcannabisgesetz) enthält.
Für eine entsprechende Kostenübernahme durch die GKV müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein:

  • es handelt sich um eine schwerwiegende Erkrankung
    oder
  • eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung kann im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht angewendet werden
  • Es besteht eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome.

Zur Sicherstellung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse, kann ein Antrag gestellt werden. Festgelegte Ärztegruppen sind aber mit dem G-BA Entscheid von Juli 2024 vom Genehmigungsvorbehalt befreit.

Versicherte haben laut Gesetz Anspruch auf die Versorgung mit Cannabispräparaten, wenn die folgenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind: 

  • Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung kann im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht angewendet werden
  • Bestehen einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome

Welche Krankheiten aber gelten als schwerwiegend? Der Gesetzgeber hat im Gesetzestext keine konkrete Benennung vorgenommen.4 Per Definition der Krankenkassen wird eine Krankheit jedoch dann als schwerwiegend verstanden, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.5 

Letztlich ist die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen jedoch keine Voraussetzung für die Verordnung. Medizinisches Cannabis kann beispielsweise auch Selbstzahlern verordnet werden.6

 

*Gesetzliche Grundlage: § 31 Absatz 6 SBG V
1. Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz — CanG). BGBl. 2024 I Nr. 109 vom 27.03.2024
2. GBA-Beschluss vom 18.7.2024. https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1200/#bei-welcher-facharzt-schwerpunkt-oder-zusatzbezeichnung-gibt-es-keinen-genehmigungsvorbehalt-mehr

In welchen Indikationen wird medizinisches Cannabis eingesetzt?

Erste Erkenntnisse aus der Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geben einen Überblick darüber, in welchen Indikationen Cannabisarzneimittel bereits verordnet wurden. Das bei weitem größte Einsatzgebiet ist mit 72 % der erfassten Verordnungen die Schmerzmedizin, doch auch bei anderen Beschwerden und Erkrankungen können Cannabinoide eingesetzt werden.7

 

Welches Cannabisprodukt kann wann verschrieben werden?

Medizinisches Cannabis kann in unterschiedlichen Darreichungsformen verordnet werden, die teilweise unterschiedliche Wirkstoffe bzw. Wirkstoffspektren enthalten. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, für welche Indikationen die einzelnen Arzneimittel in Frage kommen.

 

* Canemes® ist für die Behandlung von chemotherapiebedingter Emesis und Nausea bei jenen Krebspatienten indiziert, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen.

** Sativex® wird angewendet zur Symptomverbesserung bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose (MS), die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen.

Was muss auf dem Rezept stehen?

Die Verordnung von Medizinalcannabis erfolgt auf einem Muster-16-Rezept. Es sind gewisse Angaben auf dem Rezept erforderlich. Dazu gehören neben den Patientendaten und dem Ausstellungsdatum auch konkrete Angaben zum Cannabisarzneimittel und dessen Anwendung. Anhand des folgenden Beispielrezepts sind einige wichtige Punkte, die es bei der Verordnung zu beachten gilt, näher beleuchtet:

 

1. Arzneimittelbezeichnung/Sorte

  • Blüten: Sorte muss immer mit angeben
  • Extrakt: genaue Bezeichnung
  • Menge in ml
  • Angabe mg THV

2. NRF

  • VNRF 22.12 „Cannabisblüten zur Inhalation“: werden zerkleinert, gesiebt und abgefüllt

  • wird dies ausgelassen, erfolgt nur die Umverpackung

3. Verordnungsmenge

Gilt seit dem 1. April 2024 nicht mehr.

4. Darreichung und Anwendung

• Blüten: 1-ml-Dosierlöffel oder nutzt Feinwaage
• Extrakt: 1-ml-Dosierpipette (Graduierung 0,05 ml)
• Bei schriftlicher Gebrauchsanleitung entsprechenden Hinweis geben (z. B. gem. schriftlicher Anweisung), diese muss der Apotheke zusätzlich in schriftlicher Form vorliegen

 

Seit Inkrafttreten des CanG am 1. April 2024 gilt THC nicht mehr als Betäubungsmittel. Nabilon unterliegt weiterhin dem BtMG.

Tipp aus der Praxis

Cannabis-Ausweis für Ihre Patienten zur Unterstützung im Alltag

  • Der Cannabis-Ausweis ist dem Opioid-Ausweis in Form und Inhalt nachgebildet. Die Patienten sollten ihren Cannabis-Ausweis zusammen mit einer Kopie des letzten Rezepts bei sich führen. 

 

Einen solchen Ausweis können Sie kostenlos hier herunterladen:17 www.arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de/cannabis-ausweis/

CBD: Cannabidiol; SGB: Sozialgesetzbuch; THC: Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol

Referenz:

  1. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Berlin. Arzneimittelverordnung: Cannabis – was Ärzte bei der Verordnung wissen müssen, unter: www.kbv.de/html/cannabis-verordnen.php (zuletzt aufgerufen November 2020).
  2. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz. Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG): § 13 Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung, unter: www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/__13.html (zuletzt aufgerufen November 2020).
  3. Grotenhermen F, Häußermann K. Cannabis. Verordnungshilfe für Ärzte. 3. aktualisierte Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. 2019.
  4. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz. Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477): § 31 Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung. Unter: www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__31.html (zuletzt aufgerufen November 2020).
  5. Pharmazeutische Zeitung, Berlin. Wendt C. Cannabis auf Rezept: Juristische Fallstricke. Artikel vom 26.09.2019. Unter: www.pharmazeutischezeitung.de/juristische-fallstricke/ (zuletzt aufgerufen November 2020).
  6. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Cannabis als Medizin. Hinweise für Ärzte, unter: www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Hinweise_Aerzte/_node.html (zuletzt aufgerufen Oktober 2020).
  7. Deutscher Bundestag. Drucksache 19/17592: Versorgungssituation und Bedarf von medizinischem Cannabis. Antwort der Bundesregierung auf kleine Anfrage, 2019, unter: dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/182/1918292.pdf (zuletzt aufgerufen Dezember 2020).
  8. Aktuelle Fachinformation Sativex®, Stand März 2015.
  9. Aktuelle Fachinformation Canemes®, Stand Januar 2019.
  10. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz. Verordnung über das Verschrieben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung – BtMVV): § 2 Verschreiben durch den Arzt, unter: www.gesetze-im-internet.de/btmvv_1998/BJNR008000998.html (zuletzt aufgerufen November 2020).
  11. Aktuelle Fachinformation Epidyolex®, Stand Juli 2020.
  12. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Berlin. Ausfüllhinweise bei Cannabisverordnungen, unter: www.kbv.de/media/sp/Cannabis_Hinweise_Rezept.pdf (zuletzt aufgerufen November 2020).
  13. Deutsches Apothekenprotal (DAP). Cannabis aus der Apotheke, unter: www.deutschesapothekenportal.de/fileadmin/user_upload/download/arbeitshilfen/dap_merkblatt_cannabis.pdf (zuletzt aufgerufen Dezember 2020).
  14. Bundesärztekammer, Berlin. FAQ-Liste zum Einsatz von Cannabis in der Medizin, unter: www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Versorgung/Cannabis.pdf (zuletzt aufgerufen November 2020).
  15. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Häufig gestellte Fragen zur Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) für Ärzte, Apotheker und Fachkräfte, unter: www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bundesopiumstelle/Betaeubungsmittel/faq/FAQsBtMVV.pdf (zuletzt aufgerufen Oktober 2020).
  16. Deutsches Apothekenprotal (DAP). Das BtM-Rezept im Detail, unter: www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/btm/btm-rezept-formalien/ (zuletzt aufgerufen Dezember 2020).
  17. Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V., Steinheim. Cannabis-Ausweis für Patienten. Unter: www.arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de/cannabis-ausweis/ (zuletzt aufgerufen November 2020).