Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Das Wissen um die Anwendung von Medizinalcannabis ist in Deutschland noch gering. Hier erhalten Sie einen Eindruck davon, welche Art von Nebenwirkungen überhaupt zu erwarten sind und dass einige davon sogar eher als positiv für die betroffenen Patienten anzusehen sind. Der Umstieg von einem Opiat kann in bestimmten Fällen sehr vorteilhaft für die Patienten sein. Außerdem informieren wir Sie über die Kontraindikationen, die Sie beim Einsatz von Cannabispräparaten beachten müssen. Cannabisprodukte sollten ganz gezielt entsprechend der individuellen Symptomatik und der Situation des Patienten ausgesucht werden.

Die Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen sind individuell verschieden und unter anderem abhängig von der Darreichungsform und Zusammensetzung eines Cannabisarzneimittels. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören:1,2

  • Psychische Effekte wie Fatigue, Müdigkeit, Depression, Euphorie, Orientierungsstörungen, Benommenheit bzw. Verwirrtheit und Angstzustände
  • Kardiovaskuläre Effekte wie Schwindel, Tachykardie oder Blutdruckabfall
  • Als weitere Nebenwirkungen wurden ein trockener Mund sowie Übelkeit und Erbrechen dokumentiert

Kontraindikationen1,12

Bei folgenden Kontraindikationen sollte von einer Behandlung mit medizinischem Cannabis abgesehen oder diese sehr sorgfältig abgewogen werden:

  • Schwangerschaft und Stillzeit,
  • Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
  • Schizophrenie, schwere Persönlichkeitsstörung,
  • Suchtmittelmissbrauch in der Vergangenheit,
  • Psychose (z. B. unter Cannabis bei Freizeitkonsum),
  • Wegen fehlender Daten sollte die Behandlung von Kindern und Jugendlichen besonders sorgfältig abgewogen werden1

Nebenwirkungen treten meist zu Therapiebeginn auf und lassen durch einen gewissen Gewöhnungseffekt meist während der Therapie nach. Medizinisches Cannabis gilt im Allgemeinen als gut verträglich.²

Metabolismus und Wechselwirkungen

Schmerzpatienten und andere Patienten, für die die Verordnung von Cannabisarzneimitteln in Frage kommt, erhalten meist bereits weitere Medikamente. Deshalb ist es besonders wichtig, bei der Überlegung für ein oder mehrere Cannabinoide deren Verstoffwechslung im Körper zu kennen. Cannabinoide werden durch die CYP450-Enzyme in der Leber metabolisiert, vor allem durch die Enzyme CYP2C9 und CYP3A4. Dadurch sind Wechselwirkungen mit Medikamenten möglich, die über den gleichen Weg verstoffwechselt werden.13,14 Insbesondere auf Inhibitoren und Induktoren dieser beiden Enzyme sollte geachtet werden:13

  • Zu den Inhibitoren von CYP2C9 und CYP3A4 gehören:
    • Antimykotika wie Fluconazol (CYP2C9)
    • Virustatika wie Boceprevir (CYP3A4)
    • Antibiotika wie Erythromycin (CYP3A4)
  • Als Induktoren von von CYP2C9 und CYP3A4 sind bekannt:
    • Phenobarbital
    • Antikonvulsiva wie Carbamezepin
    • Johanniskraut

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit für weitere pharmakodynamische Wechselwirkungen, die bei gleichzeitiger Einnahme von Cannabinoiden auftreten können, zum Beispiel bei psychotrop wirkenden Stoffen wie Alkohol und Benzodiazepinen. Dabei kann es zu einer Verstärkung von Müdigkeit sowie einer Reduktion von Konzentrations-, Koordinations- und Reaktionsfähigkeit kommen. Zusammen mit Hypnotika oder Sedativa können Schläfrigkeit und Muskelrelaxierung verstärkt sein, während die Kombination mit Antispastika zu einem niedrigeren Muskeltonus und dadurch erhöhter Sturzgefahr führen kann.15

Um potentielle Wechselwirkungen zu erkennen, sollten Ärzte stets die gesamte Medikation der Patienten im Blick behalten. So kann eine Therapie mit medizinischem Cannabis gelingen und die größtmögliche Symptomlinderung bieten.

Fazit zu Nebenwirkungen

  • Medizinisches Cannabis gilt im Allgemeinen als gut verträglich.1
  • Die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen variieren je nach Darreichungsform.5
  • Start low and go slow“: Da Nebenwirkungen meist zu Therapiebeginn auftreten und durch einen Gewöhnungseffekt meist nachlassen, gibt es für die Verordnung von medizinischen Cannabis einen gut zu merkenden Leitspruch: „Start low and go slow!“16

CYP: Cytochrom P450; THC: Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol

Referenzen:

  1. Müller-Vahl K, Grotenhermen F. Medizinisches Cannabis: Die wichtigsten Änderungen. Dtsch Arztebl Int 2017:A352–356.
  2. Whiting PF et al. Cannabinoids for Medical Use: A Systematic review and Meta-analysis. JAMA 2015;313:2456–2473.
  3. Johal H et al. Cannabinoids in Chronic Non-Cancer Pain: A Systematic Review and Meta-Analysis.. Clin Med Insights Arthritis Musculoskelet Disord 2020;13:1–3.
  4. Sharon H, Goldway N, Goor-Aryeh I, Eisenberg E, Brill S. Personal experience and attitudes of pain medicine specialists in Israel regarding the medical use of cannabis for chronic pain. J Pain Res 2018;11:1411-1419.
  5. Cremer-Schaeffer P, Schmidt-Wolf G, Broich K. Cannabisarzneimittel in der Schmerztherapie. Schmerz 2019; 33:415-423.
  6. Tang N. Insomnia Co-Occurring with Chronic Pain: Clinical Features, Interaction, Assessments and Possible Interventions. Rev Rain 2008;2(1):2–7.
  7. Bialas P et al. Cannabispräparate bei chronischen Schmerzen: Indikationen, Präparateauswahl, Wirksamkeit und Sicherheit. Erfahrungen der saarländischen Schmerztherapeuten. Schmerz 2019;33(5):399–406.
  8. Boehnke KF, Litinas E, Clauw DJ. Medical Cannabis Use Is Associated With Decreased Opiate Medication Use in a Retrospective Cross-Sectional Survey of Patients With Chronic Pain. 2016;17(6):739–744.
  9. Reiman A, Welty M, Solomon P. Cannabis as a Substitute for Opioid-Based Pain Medication: Patient Self-Report. Cannabis Cannabinoid Res 2017;2(1):160-166.
  10. Häußermann K, Grotenhermen F, Milz E. Cannabis. Arbeitshilfe für die Apotheke. 2. aktualisierte Auflage. Deutscher Apothekerverlag, Stuttgart. 2018.
  11. Peters KZ, Oleson EB, Cheer JF. A Brain on Cannabinoids: The Role of Dopamine Release in Reward Seeking and Addiction. Cold Spring Harb Perspect Med. 2020;a039305.
  12. Maida V, Daeninck PJ. A user‘s guide to cannabinoid therapies in oncology. Curr Oncol 2016;23:398–406.
  13. Bussik D, Eckert-Lill C. Cannabis als Medizin – Was kommt auf die Apotheken zu? Pharmazeutische Zeitung 2017;162(8). Unter: www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php (zuletzt aufgerufen Oktober 2021).
  14. Petri H. Arzneimitteltherapiesicherheit: Das Interaktionspotenzial der Cannabinoide. Dtsch Arztebl 2018;115(47):[28].
  15. Grotenhermen F, Häußermann K. Cannabis. Verordnungshilfe für Ärzte. 3. aktualisierte Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. 2019.
  16. Abramovici H, Lamour S-A, Mammen G. Information for Health Care Professionals. Cannabis (marihuana, marijuana) and the cannabinoids. Oktober 2018.